Parkinson und ich

 

Ich bin 44 Jahre alt, gelernte Schriftsetzerin. Bin seit 1999 verheiratet und habe eine Tochter. Wir hatten in der Familie schon immer mit verschiedenen Krankheiten zu tun. Meine Mutter war seit ich denken kann immer krank und als mein Papa dann auch noch Darmkrebs bekam, schweiste uns das immer mehr zusammen. 2017 bemerkte ich das erste Mal, dass irgendwie meine Finger an der linken Hand bei der Arbeit nicht mehr so funktionieren wie sonst. Meine ganze linke Seite war komisch. Da es meiner Mitter aber sehr schlecht ging, dachte ich, es wird schon wieder besser werden, wenn es nicht mehr so stressig ist. Ich ging dann zum Neurologen und er meinte, dass es wohl Parkinson wäre. Ich sollte in einem Monat wieder kommen. Jedoch wollte ich das nicht hören und machte mir auch gar keine Gedanken darüber.

 

Im Dezember verstarb dann meine Mama und ich dachte, jetzt muss es doch so langsam wieder besser werden. Aber Pustekuchen, es wurde immer heftiger. Meine Finger wurden immer langsamer und blieben auf der Tastatur kleben. Auch mein linkes Bein wollte nicht mehr so wie ich wollte. Wir konnten keine längere Strecke mehr laufen. Also ging ich 2018 wieder zum Neurologen. Er war ein bisschen verärgert, weil ich erst ein Jahr später wieder kam. Ich musste den Gang auf und ab laufen und dann sagte er, er sieht es genau an meinem Gang und am nicht mitschwingendem Arm dass ich Parkinson habe. Ich bekam ein Rezept, er sagte dazu: das können sie so aufdosieren, wie es ihnen gut tut, bis zu 8 Tabletten am Tag (L’Dopa). Außerdem sagte er, ich soll die nächsten 5 Jahre tun, was ich noch tun möchte! Ich sagte und was passiert dann? Er meinte nur, das wollen wir nicht wissen. Ich ging völlig am Boden zerstört nach Hause. Meine Apothekerin war auch völlig sprachlos, als ich ihr mein Rezept gab. Tagelang suchte ich Informationen im Internet - leider findet man dort sehr viel, was einem noch mehr Verunsicherung und Angst macht! Also fing ich mit 3 x 1 Tablette L’Dopa an.

 

Man merkte den Unterschied sehr schnell, aber ich traute mich nicht noch mehr zu nehmen. Also ging ich zu meinem Hausarzt und wollte mir bei ihm Informationen holen. Jedoch war ein Vertretungsarzt da, ich überlegte mir, ob ich wieder gehen soll - zum Glück bin ich geblieben. Er war total entsetzt über mein Medikament und nahm sich sehr viel Zeit für die Aufklärung. Er bot mir an, dass wir gemeinsam ein Netzwerk aufbauen und aber die Diagnose erst mal bestätigen lassen müssen. Also wechselte ich zu ihm, da dort auch eine junge Neurologin mit in dem Ärztehaus war. Sie ordnete einen DAT-Scan an und verschrieb mir andere Tabletten. Wir fingen erst mal mit Agonisten an und ich bekam Physio- und Ergotherapie verschrieben. Auch eine Psychologin wurde mir empfohlen. Sie verwiesen mich anstelle des Internets an die Selbsthilfegruppen in der Umgebung. Ich brauchte eine Weile, bis ich mich getraute dort anzurufen - aber auch das war eine gute Entscheidung! Sich mit betroffenen auszutauschen hat mir sehr viel geholfen, auch wenn ich beim ersten Telefonat nur geweint habe. Das wichtigste ist, dass man nicht alleine ist in der Situation. Man braucht Ärzte, denen man vertraut und die für einen da sind, denn der Parkinson ist ja leider nicht bei allen gleich. Gute Therapeuten und regelmäßige Termine und viel Bewegung.

 

Die regelmäßigen Treffen in der Selbsthilfegruppe waren anfangs sehr wichtig, denn dort sind Betroffene die teilweise schon sehr lange mit dem Parkinson kämpfen. Leider sind bei diesen Treffen aber größtenteils älter Betroffene. Dementsprechend haben die älteren aber andere Probleme wie ich. Deshalb ist es wichtig sich nicht zu verstecken, besonders nicht wenn man die Diagnose in jungen Jahren erhält. Leider ist der Parkinson eine Krankheit, die wir nicht alleine bewältigen können, es ist unser ganzes Umfeld mitbetroffen. Deshalb ist es wichtig seine Familie und Freunde aufzuklären und eventuell auch mal mitnehmen zu einem Treffen der Selbsthilfegruppe. Ich bin mit der Offenheit bis jetzt sehr gut zurecht gekommen. Bevor jemand sich was zusammenreimt, kläre ich ihn auf und oftmals entschuldigen sie sich dann, z. B. wenn es beim einkaufen sehr langsam geht und die Schlange hinter mir an der Kasse immer länger wird ...

 

 

Die Diagnose hat mein und auch das Leben meiner Familie schon sehr verändert. Nachdem der DAT- Scan eindeutig war, wurde mir dann so richtig bewußt, es ist unheilbar und auch nicht aufhaltbar. Wie lange alles noch funktioniert? Nachdem ich länger versucht habe meinen Beruf weiter auszuüben und auch meine Arbeitskollegen immer sehr viel Rücksicht nahmen, kamen wir zu dem Entschluss, dass es keinen Wert hat und man mich nicht weiter „mitziehen“ kann, da ich ja auch nicht mehr belastbar war. Es musste alles doppelt Korrektur gelesen werden, da meine Finger nicht richtig wollten. Also habe ich einen Rentenantrag gestellt. Nach längerem hin und her und einem Gutachten wurde meine Rente bewilligt. Es dauerte eine ganze Zeit sich an den Gedanken zu gewöhnen, nicht mehr arbeiten zu können. Aber es war eine gute Entscheidung, denn so habe ich Zeit für meine Therapien, die sehr wichtig sind und mir sehr gut tun.

 

Mittlerweile habe ich meinen „Mitbewohner“ Parkinson schon fast 6 Jahre. Habe schon zahlreiche Medikamente ausprobiert. Mich mit verschiedenen Ärzten auseinandergesetzt. Leider fühlt man sich doch manchmal sehr alleine, wenn es einem sehr schlecht geht, man kaum laufen kann vor Schmerzen und der Arzt dann meint, sie wissen doch dass sie Parkinson haben - immer wird alles auf den Parkinson geschoben. Man wird mit der Zeit nicht mehr so richtig ernst genommen. Da es ja auch in der Gesellschaft ein Tabu-Thema ist. Dabei sind so viele Menschen betroffen und ich glaube es werden immer mehr.

Es geht stetig auf und ab, mal schlimmer mal besser - aber es geht immer weiter, denn leider gibt es bis jetzt noch keine Hoffnung für einen Stillstand, damit wären wir ja schon mal zufrieden. Aber dadurch lernt man mit der Zeit, was wirklich wichtig ist im Leben.

 

Ich lebe jetzt, hier und heute - und mache meistens nur noch das, was mir gut tut.

Leider schaffe ich das nicht immer, aber ich arbeite stets daran ...

Bei dieser Gelegenheit möchte ich mich bei allen bedanken, die mich mit meinem Parkinson begleiten und immer für mich da sind.

Denn man verändert sich mit den Jahren und wird Eigen. Es ist für die Familie und Freunde auch nicht einfach das immer zu ertragen und mitzumachen. Denn wenn es mir schlecht geht, leiden alle mit. Menschen, die das mit einem durchstehen sind mehr Wert als alles Geld der Welt!

Es ist eine Arschloch-Krankheit, die uns immer begleitet und leider manchmal auch sehr schmerzhaft ist. Aber durch den Austausch und die Treffen mit anderen die das gleiche Leid haben ist es viel, viel besser zu ertragen und bewältigen. Es werde immer wieder Tiefpunkte kommen, aber wichtig ist, dass man sich gegenseitig wieder motiviert und weitermacht ...